Kommentar zum 30. W:O:A 2019

Lemmy sagte einmal: „Wenn man älter wird, sieht man zwangsläufig immer beschissener aus. Aber warum tragen alle alten Menschen Kurzhaarfrisuren? Das kapiere ich nicht. Lasst das Haar lieber wachsen und verdeckt damit die schlechten Nachrichten!“

Nun weilt Lemmy leider schon seit ein paar Jahren nicht mehr unter uns, aber überträgt man dieses Zitat auf das Geburtstagskind Wacken Open Air, bei dem er bekanntlich sehr gern zu Gast war, dann hat das Festival im dreißigsten Jahr eine sehr lange, gepflegte Mähne.

Tausende feiern bereits nachmittags vor den Hauptbühnen
Foto (c) Andreas Bast

75.000 Fans, ausverkauft nach nicht mal einer Woche, über 200 Bands auf 9 Bühnen. Das Festival läuft wie geschnitten Brot. Und das liegt sicher auch daran, dass die Veranstalter um Holger Hübner und Thomas Jensen schon länger verstanden haben, dass Wachstum nicht der richtige Weg ist. Sie haben einen anderen Weg eingeschlagen, und der heißt Veränderung.

Als ich 2010 das erste Mal beim W*O*A dabei war, hatte man noch aufwendige Kontrollen an den Zugängen zum Infield, der Biergarten stand irgendwie direkt dahinter im Weg, und alles war gefühlt wesentlich enger. Heute, 9 Jahre später ist der Biergarten umgezogen, am Infield stehen entspannte Security-Mitarbeiter die höchstens einmal einen Blick auf die für den Zutritt benötigten Bändchen werfen und darauf zu achten haben, dass keiner über die Ausgänge das Infield betritt. Die Kontrollen an sich finden mittlerweile 250 Meter weiter hinten, im Übergang vom Campinggelände zur Wackenplaza statt.

Veränderung 2019 bedeutet, (endlich) auch einen eigenen Supermarkt zu haben. Vorbei die Zeiten, in denen die Metalheads oft mehr als 2 Euro für eine Dose Bier in den Campingmärkten bezahlen mussten. Die eigens für die Festivalwoche eröffnete Kauflandfiliale nimmt gerade mal faire 90 Cent für eine Dose, und auch die weiteren Artikel haben Preise, die man in einem Supermarkt um die Ecke zu ähnlichen Preisen erwerben kann. Wie das im Dorf ankommt bleibt abzuwarten. Wie wir gehört haben, leiden die Jungs, die sich ein Taschengeld mit dem Transport vieler Einkäufe von Metalfans in den örtlichen Supermarktfilialen verdient haben, am stärksten unter dieser Neuerung.

Veränderung 2019 bedeutet, (endlich) auch einen eigenen Supermarkt zu haben. Vorbei die Zeiten, in denen die Metalheads oft mehr als 2 Euro für eine Dose Bier in den Campingmärkten bezahlen mussten.

Die eigens für die Festivalwoche eröffnete Kauflandfiliale nimmt gerade mal faire 90 Cent für eine Dose, und auch die weiteren Artikel haben Preise, die man in einem Supermarkt um die Ecke zu ähnlichen Preisen erwerben kann. Wie das im Dorf ankommt bleibt abzuwarten. Wie wir gehört haben, leiden die Jungs, die sich ein Taschengeld mit dem Transport vieler Einkäufe von Metalfans in den örtlichen Supermarktfilialen verdient haben, am stärksten unter dieser Neuerung.

Veränderung 2019 bedeutet auch, einen Umbruch im Line Up einzuleiten. Klar spielen immer noch viele der verbliebenen Metalbands aus den 70er und 80ern, sofern sie überhaupt noch existieren. Slayer haben sich in diesem Jahr verabschiedet, Black Sabbath, Twisted Sister und Motörhead um nur einige Namen aus der Riege der bereits aufgelösten sind schon länger nicht mehr aktiv, und es werden in den nächsten Jahren noch viele weitere folgen. Da ist es nur logisch, neue Headliner zu finden und zu verpflichten, die genügend Publikum ansprechen. Auch hier haben die Wacken-Macher in diesem Jahr einen spannenden Bruch gewagt. Überraschend für mich, Body Count feat. Ice-T, oder auch die Supergroup Prophets of Rage zu sehen. Ich konnte mit denen erstmal nicht so viel anfangen, aber offensichtlich hat es funktioniert, denn auf dem Weg vom Festivalgelände zurück zu meiner Unterkunft hörte ich bei einigen Gesprächen, dass gerade diese Auftritte gefallen haben. Genau solche Experimente braucht das Festival, auch wenn es nicht jedem „True-Metaler“ in den Kram passt. Und seien wir mal ehrlich: Die Mischung machts doch! Die noch junge Gruppe Powerwolf war unterhaltsam, Black Stone Cherry, Hammerfall, Anthrax, Saxon, Uriah Heep oder Krokus, um auch hier wieder nur einige aus dem Line Up 2019 zu nennen, wissen wie man Massen begeistert und puscht. Aber ob letztere in ein paar Jahren noch dabei sein werden ist schon wegen dem Alter fraglich.

Was für Wacken im Bereich Line Up immens wichtig ist: Wacken braucht die Subkultur. Bei der Masse der Bands muss man sich auch seinen eigenen Nachwuchs rekrutieren. Die Privatsender machen das in ihren Casting-Shows ja ähnlich, nur auf einem wesentlich unterdurchschnittlicherem Niveau. cheeky

Der Blick von hinten auf die Bühne
Foto (c) Andreas Bast

Subkultur erlebt man beim W*O*A am ehesten auf der History Stage und der Wasteland-Stage. Die History Stage ist eine 2019 neu hinzugekommene Bühne, konzipiert für einen sehr wichtigen Zweck. Alle Konzerte im Rahmen des Wacken Metal Battle, einem weltweiten Wettbewerb für Bands ohne Plattenvertrag, wurden in diesem Zelt veranstaltet. Und da ich mir von Donnerstag bis Samstag einige Auftritte dort angesehen habe, kann ich mit recht behaupten, dass das Zelt fast immer sehr ordentlich gefüllt war. Bei der Pressekonferenz am Samstag war noch nicht ganz klar ob die History Stage auch 2020 wieder aufgebaut wird. Ich kann nur hoffen, dass die Veranstalter entscheiden, diese weitere Stage auch in den nächsten Jahren zu installieren, denn dort spielen die Bands von morgen.

Pressekonferenz im Backstagebereich
Foto (c) Andreas Bast

„Jetzt machen wir weiter bis in die Ewigkeit“, sagte Thomas Jensen scherzhaft am Samstag in der Pressekonferenz, auf die Frage, wie es nach dem Jubiläum weitergehen wird. Wenn die Veranstalter „ihr“ Wacken auch künftig so kritisch hinterfragen und verändern wie in den letzten Jahren, und dabei auch auf die Meinung ihrer Fans hören, wird es sicher noch viele Jahre erfolgreich auf den Kuhackern rund um Wacken und Gribbohm stattfinden. Dann werden die langen Haare des W*O*A vielleicht mit den Jahren ein wenig grauer, aber ausfallen oder gar abgeschnitten werden sie nicht.

Sint Edman